Utagawa Sadahide

Bilder der seltsamen Menschen aus dem Westen in Yokohama 1862.

Die japanischen Ukiyo-e Holzschnitte porträtierten nicht nur die „fließende Welt“ der Theater und der Freudenhäuser. Nach der Öffnung Japans 1854 entdeckten die Künstler ein neues Sujet für sich: die seltsamen Menschen aus dem Westen und ihre kuriose Lebensweise, die sie nach Japan mitbrachten.

1854 erreichte der amerikanische Kommodore Matthew C. Perry mit einem ersten Vertragswerk das Ende der freiwilligen Selbstisolation´von Japan. Zum zweiten Mal in der japanischen Geschichte mussten sich Japaner an den Anblick von westlichen „Langnasen“ gewöhnen. Yokohama, bis dahin ein einfaches Fischerdorf, wurde von den japanischen Behörden als „Ausländerstadt“ auf ehemaligem Schwemmland aufgebaut und 1859 offiziell eröffnet.

In einer Straße in Yokohama

Kaum war der Westen in Japan präsent, erschienen bereits Holzschnitt-Drucke, oft nur Kopien von Vordrucken oder mit märchenhaften Übertreibungen. Einer dieser Künstler war Utagawa Sadahide (1807-1878/79), der sich nicht mit einzelnen Blättern zufrieden gab, sondern gleich ein Buch herausbrachte über “Die Eröffnung des Hafens Yokohama“. Er war es, der die ersten noch regellosen Jahre der Kolonie in Bildern festhielt und erklärte, denn das Buch wirkte wie ein Fremdenführer für neugierige Japaner.

Westliche Besucher beschrieben dieses Yokohama als eine Art von Wildwest-Stadt mit einer abenteuerlichen Mischung aus allen Nationen. Witzige Szenen entstanden auf den Blättern von Sadahide, die uns zeigen, wie die Fremden sich aufführten, arbeiteten und aßen, denn all das war neu in Japan und äußerst exotisch: Damen, die auf Pferden ritten, auf seltsamen hohen Stühlen sitzend mit Männern gemeinsam speisten und die neuesten westlichen Moden vorführten. Die meisten Köche waren Kantonesen, schwarze Diener mussten die schwersten Arbeiten erledigen, und in den Schlachthäusern von Yokohama wurde Tiere getötet, um gegessen zu werden. Für Japaner war vieles unfassbar, so der Verzehr von Rindern und Schweinen, denn als Buddhisten hatten Japaner eine fleischlose Küche entwickelt.

Im Schlachthaus von Yokohama
Amerikanische Lady im Sommeroutfit

Der Versuch der Behörden, Japaner und Fremde so weit wie möglich voneinander zu trennen, war von vornherein zum Scheitern verurteilt, denn Japaner waren neugierig und begannen bald, Sitten (und Unsitten) von den Fremden zu übernehmen. Vieles kam so in die jeweils andere Kultur: schwarze zusammengerollte Regenschirme zu tragen galten bei gebildeten japanischen Herren als der letzte Schrei, und die Ausländer deckten sich mit japanischen Waren und japanischer Kunst ein, die daheim die Japanmode beflügelten.

Damen und Herren speisen gemeinsam
alle Abb. aus dem Buch Utagawa Sadahide: Yokohama kaiko kenbunki, 1862-1865
Nachdruck 1967, Privatbesitz

Sein Buch machte Sadahide bekannt. Er gehörte zu den elf Künstlern, die mit ihren Werken bei der Pariser Weltausstellung 1867 Japan in der Öffentlichkeit repräsentierten. Kurz vor dem Umbruch der Meiji-Restauration (im November 1867) trat damit das alte Shōgunat-Regime noch einmal machtvoll auf. Doch der Widerstand war bereits zu stark, sein Einfluß bröckelte, auch mit Hilfe einiger westlicher Staaten, die mehr oder weniger offen für eine Rückkehr des Tennō in die Regierung arbeiteten.

Dieses erste Yokohama allerdings wurde zum größten Teil 1866 durch ein verheerendes Feuer vernichtet, und danach kam die Photographie auf und löste die Holzschnitte ab. Sadahide starb vergessen in der Meiji-Zeit, aber sein Buch gelangte nach München in die Hände von Franz Marc (1880-1916) von der Künstlergruppe „Blauer Reiter“. Er sammelte begeistert japanische Holzschnitte und handelte auch mit ihnen, denn er war ständig knapp an Geld. Von Holzschnitten von Katsushika Hokusai (1760-1849) etwa ließ er sich zu seinen wunderbaren farbigen Tierbildern inspirieren.

Sadahides Buch über die Eröffnung des Hafens Yokohama ist heute ein kostbares Zeugnis über diese ersten aufregenden Jahre der westlichen Menschen in ihrem Gastland Japan, das sich an diese Gäste erst mühsam gewöhnen musste.